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Verordnung zur Ausführung der gesetzesvertretenden Verordnung
zum Schutz vor sexualisierter Gewalt

Vom 16. Juli 2022

KABl. S. 228, Nr. 125

Änderungen

Lfd. Nr.
Änderndes Recht
Datum
Fundstelle
1
Verordnung
15. Dezember 2023
Der Rat der Landeskirche hat aufgrund von § 11 der gesetzesvertretenden Verordnung zum Schutz vor sexualisierter Gewalt vom 26. Februar 2021 (KABl. S. 40) die folgende Verordnung beschlossen:
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Abschnitt I – Erweiterte Führungszeugnisse (zu § 6)

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§ 1
Vorlagepflicht

( 1 ) Beschäftigte im Rahmen eines Freiwilligendienstes (zum Beispiel Freiwilliges Soziales Jahr, Bundesfreiwilligendienst) oder einer Arbeitsgelegenheit im Sinne des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch (Ein-Euro-Job) gelten als Mitarbeitende im Sinne von § 1 Absätze 1 und 3 der gesetzesvertretenden Verordnung zum Schutz vor sexualisierter Gewalt.
( 2 ) Für Praktikantinnen und Praktikanten gilt § 6 Absatz 3 der gesetzesvertretenden Verordnung zum Schutz vor sexualisierter Gewalt entsprechend.
( 3 ) In Honorarverträgen sind die Geltung der gesetzesvertretenden Verordnung zum Schutz vor sexualisierter Gewalt und die Vorlage eines Erweiterten Führungszeugnisses zu vereinbaren, wenn die Bewertung der Honorartätigkeit anhand von Art, Intensität und Dauer des Kontakts mit Minderjährigen und Volljährigen in Abhängigkeitsverhältnissen die Vorlage erfordert (Anlage 1).
( 4 ) Die Feststellung, ob ein Erweitertes Führungszeugnis nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 der gesetzesvertretenden Verordnung zum Schutz vor sexualisierter Gewalt vorzulegen ist, trifft das Leitungsorgan oder eine von diesem beauftragte Stelle, zum Beispiel eine Personalverwaltung. Die Entscheidung ist zu dokumentieren.
( 5 ) Einen vergleichbaren Kontakt zu Kindern und Jugendlichen im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 der gesetzesvertretenden Verordnung zum Schutz vor sexualisierter Gewalt haben insbesondere Beschäftigte, die im Rahmen ihres Dienstes Kontakt zu Kindern oder Jugendlichen haben können.
( 6 ) Ob ein Erweitertes Führungszeugnis gemäß § 6 Absatz 3 der gesetzesvertretenden Verordnung zum Schutz vor sexualisierter Gewalt von Ehrenamtlichen aufgrund von Art, Intensität und Dauer des Kontakts mit Minderjährigen und Volljährigen in Abhängigkeitsverhältnissen vorgelegt werden muss, entscheidet das Leitungsorgan. Die Entscheidung ist anhand der Anlage 1 zu treffen und zu dokumentieren.
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§ 2
Fristen

( 1 ) Die Vorlagefrist gemäß § 6 Absatz 2 der gesetzesvertretenden Verordnung zum Schutz vor sexualisierter Gewalt beträgt für Pfarrerinnen und Pfarrer, Kirchenbeamtinnen und Kirchenbeamte und privatrechtlich Beschäftigte im Sinne von § 6 Absatz 1 Nummer 1 der gesetzesvertretenden Verordnung zum Schutz vor sexualisierter Gewalt drei Jahre.
( 2 ) Durch Gesetz, Arbeitsrechtsregelung oder Vereinbarung geregelte kürzere Vorlagefristen, insbesondere im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit, bleiben unberührt.
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§ 3
Verfahren

( 1 ) Ist die Vorlage eines Erweiterten Führungszeugnisses erforderlich, so wird es von der beauftragten Stelle oder einer beauftragten Person des Leitungsorgans eingesehen. Die Einsichtnahme ist zu dokumentieren. Das Erweiterte Führungszeugnis verbleibt bei der vorlegenden Person. Der Arbeitgeber speichert lediglich den Umstand der Einsichtnahme, das Datum des Führungszeugnisses und die Information, ob die das Führungszeugnis betreffende Person wegen einer gemäß § 6 Absatz 1 Nummer 1 der gesetzesvertretenden Verordnung zum Schutz vor sexualisierter Gewalt genannten Straftat rechtskräftig verurteilt worden ist. Die Anfertigung einer Kopie ist unzulässig. Die Originale der Führungszeugnisse werden von den Vorlagepflichtigen aufbewahrt und sind auf Verlangen erneut vorzulegen.
( 2 ) Soweit eine Gebührenbefreiung nicht greift, trägt der Anstellungsträger oder der Träger der kirchlichen Arbeit die Kosten des Erweiterten Führungszeugnisses.
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§ 4
Übergangsregelungen

( 1 ) Für Mitarbeitende, die bereits beschäftigt werden und die bisher kein Erweitertes Führungszeugnis vorlegen mussten, muss die Aufforderung zur Vorlage des Erweiterten Führungszeugnisses so rechtzeitig erfolgen, dass es spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten dieser Verordnung vorgelegt werden kann. Gleiches gilt für die Ehrenamtlichen und Honorarkräfte, die bereits tätig sind und erstmalig ein Erweitertes Führungszeugnis vorlegen müssen.
( 2 ) Für Mitarbeitende, die nach geltendem Recht bereits einmalig ein Erweitertes Führungszeugnis vorlegen mussten und nun gemäß § 6 Absatz 1 Nummer 1 der gesetzesvertretenden Verordnung zum Schutz vor sexualisierter Gewalt regelmäßig ein Erweitertes Führungszeugnis vorzulegen haben, gilt eine Frist für die erneute Vorlage, die sich ab dem letzten Vorlagedatum berechnet, sofern seit der letzten Vorlage nicht drei Jahre vergangen sind. Sind drei Jahre vergangen, muss die Aufforderung zur Vorlage des Erweiterten Führungszeugnisses so rechtzeitig erfolgen, dass es spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten dieser Verordnung vorgelegt werden kann.
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Abschnitt II – Ansprech- und Meldestelle (zu §§ 7 und 8)

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§ 5
Einrichtung

Die Ansprech- und Meldestelle zum Schutz vor sexualisierter Gewalt (Fachstelle) ist eine unabhängige Einrichtung der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Die Mitarbeitenden der Fachstelle sind im Rahmen ihrer Aufgaben weisungsfrei.
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§ 6
Arbeitsweise

( 1 ) Die Fachstelle nimmt im Rahmen der Gesetzesvertretenden Verordnung zum Schutz vor sexualisierter Gewalt Aufgaben der Prävention, Intervention und Aufarbeitung in Fällen sexualisierter Gewalt im Bereich der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck wahr. Sie ist dem Schutz und der Unterstützung Betroffener verpflichtet und nimmt daher eine betroffenenorientierte Haltung ein. Sie ist der Aufdeckung täterschützender Strukturen verpflichtet.
( 2 ) Die Fachstelle ist berechtigt, im Rahmen der rechtlichen Regelungen von kirchlichen Stellen die erforderlichen Auskünfte sowie die Vorlage sämtlicher für die Durchführung ihrer Aufgaben notwendigen (Personal-)Akten, Protokolle und sonstigen Unterlagen zu verlangen. Die Fachstelle verkehrt mit den betroffenen Stellen unmittelbar.
( 3 ) Die Fachstelle kann Vorschläge zur Verbesserung des Umgangs mit dem Themenfeld sexualisierte Gewalt sowie der damit in Zusammenhang stehenden Arbeitsprozesse machen und diese dem Landeskirchenamt zur Beratung vorlegen. Sie ist beratend tätig und gibt Anregungen zur Förderung des Schutzes vor sexualisierter Gewalt.
( 4 ) Die Fachstelle kann sich bei der Erfüllung ihrer Aufgaben besonderer Sachverständiger bedienen.
( 5 ) Die Fachstelle legt dem Rat der Landeskirche bis zum 1. April eines jeden Jahres einen schriftlichen Bericht über ihre Tätigkeit im zurückliegenden Kalenderjahr vor. Gegenüber der Landessynode soll dies spätestens alle drei Jahre erfolgen.
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§ 7
Aufgaben

Die Fachstelle hat unbeschadet der rechtlichen Verantwortung und der Zuständigkeiten der jeweiligen Leitung einer Körperschaft oder Einrichtung insbesondere folgende Aufgaben:
  1. Beratung und Prävention:
    1. Die Fachstelle berät bei Bedarf die jeweilige Leitung in Fragen der Prävention, Intervention, Unterstützung und Aufarbeitung und koordiniert entsprechende Maßnahmen.
    2. Sie wirkt im Rahmen der Schaffung neuer rechtlicher Bestimmungen, die ihren Aufgabenbereich betreffen, in angemessener Weise mit.
    3. Sie unterstützt die Leitungsorgane bei der Präventionsarbeit, insbesondere bei der Implementierung und Weiterentwicklung von institutionellen Schutzkonzepten, und geht Hinweisen auf täterschützende Strukturen nach.
    4. Sie entwickelt Standards für die Präventionsarbeit (fachliche Weiterentwicklung des Rahmenschutzkonzepts), erarbeitet Informationsmaterial, entwickelt Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote zur Prävention und koordiniert hierzu die Bildungsarbeit.
    5. Sie führt Schulungsveranstaltungen für alle kirchlichen Mitarbeitenden durch und bzw. unterstützt die Multiplikatoren und Multiplikatorinnen dabei.
  2. Unterstützung bei Vorfällen sexualisierter Gewalt (Intervention):
    1. Die Fachstelle zum Schutz vor sexualisierter Gewalt unterstützt bei Vorfällen sexualisierter Gewalt im Rahmen des jeweils geltenden Notfall- und Handlungsplanes (§ 5 Absatz 3 Nummer 8 Gesetzesvertretende Verordnung zum Schutz vor sexualisierter Gewalt).
    2. Sie nimmt als Ansprechstelle Anfragen bei Verdacht auf sexualisierte Gewalt oder bei unangemessenem Verhalten entgegen, prüft und bewertet die Schwere und Art des Verdachts, dessen Plausibilität und tatsächliche Anhaltspunkte (Clearing). Bei Bedarf kann sie sich hierfür externer Expertise bedienen.
    3. Sie wahrt die Vertraulichkeit der Identität hinweisgebender Personen auf deren Wunsch und sorgt als Meldestelle dafür, dass begründete Verdachtsfälle bearbeitet, insbesondere den zuständigen Stellen gemeldet und die notwendigen Maßnahmen der Intervention und Aufarbeitung veranlasst werden.
    4. Bei Verdachtsfällen oder bereits laufenden Interventionsverfahren ist sie berechtigt, sich einzuschalten und diese gegebenenfalls in den Krisenstab sexualisierte Gewalt (§ 12) einzubringen.
    5. Sie dokumentiert in standardisierter Weise Anfragen und Meldungen unter Wahrung des Datenschutzes (Meldebogen der EKD in der jeweils gültigen Fassung, vgl. § 9 Absatz 4).
    6. Sie macht meldende Personen darauf aufmerksam, dass sie auch von der Kirche unabhängige Fachberatungsstellen anrufen und nutzen können.
    7. Sie begleitet laufende Interventionen bis zu deren Abschluss.
      Clearing und Intervention sind so ausführlich zu dokumentieren, dass eine spätere Aufarbeitung möglich ist.
  3. Aufarbeitung:
    1. Die Fachstelle nimmt Anträge Betroffener auf Leistungen zur Anerkennung erlittenen Unrechts beziehungsweise auf Unterstützungsleistungen entgegen und leitet diese an die Unabhängige Anerkennungskommission zur Entscheidung weiter.
    2. Sie beschafft der Kommission die von ihr benötigten Informationen und setzt die Entscheidungen dieser Kommission um.
    3. Sie sorgt dafür, dass die Einwilligung Betroffener vorliegt, wenn personenbezogene Daten weitergeleitet oder verarbeitet werden.
    4. Sie regt an, unterstützt und begleitet andere Formen der Aufarbeitung (insbesondere Einzelstudien, Mitarbeit an der Aufarbeitungskommission für die Evangelischen Kirchen in Hessen).
  4. Koordination, Berichtspflicht und Vernetzung:
    1. Die Fachstelle koordiniert ihre Aufgaben auf gesamtkirchlicher EKD-Ebene, insbesondere indem sie in der Konferenz für Prävention, Intervention und Hilfe in Fällen der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung auf der Ebene der EKD mitarbeitet.
    2. Sie wirkt mit der Zentralen Anlaufstelle.help der EKD zusammen.
    3. Bei Vorliegen von Verdachtsfällen sexualisierter Gewalt informiert sie umgehend den Krisenstab sexualisierte Gewalt (§ 6) und stellt die erforderlichen Informationen für dessen Bearbeitung von Verdachtsfällen bereit.
    4. Sie ist von den Leitungsorganen unter Berücksichtigung von § 8 Absatz 2 der Gesetzesvertretenden Verordnung zum Schutz vor sexualisierter Gewalt über alle Verdachtsfälle zu informieren.
    5. Sie arbeitet der Stabsstelle für Kommunikation der Landeskirche bei der Berichterstattung und Pressemeldungen zum Thema sexualisierte Gewalt zu.
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§ 8
Organisation der Fachstelle

( 1 ) Die Fachstelle besteht aus dem Leiter oder der Leiterin (Leitung) und dem stellvertretenden Leiter oder der stellvertretenden Leiterin (Stellvertretung) sowie einer Assistenzkraft. Eine der Leitungspersonen ist zugleich Fachkraft für Aufgaben der Prävention.
( 2 ) Die Mitarbeit in der Ansprech- und Meldestelle setzt Kenntnisse und Kompetenzen insbesondere im Themenbereich sexualisierte Gewalt in Organisationen, im Umgang mit traumatisierten Menschen, in Gesprächsführung und Konfliktbearbeitung sowie kontinuierliche Fortbildung voraus.
( 3 ) Die Leitung wird vom Prälaten oder der Prälatin mit Zustimmung des Rates der Landeskirche berufen und abberufen. Sie ist für die Tätigkeit der Fachstelle verantwortlich und vertritt diese nach außen.
( 4 ) Die Mitarbeitenden der Fachstelle unterliegen der Schweigepflicht. Sie dürfen von den ihnen durch ihre Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen und Entscheidungen nur zur Erfüllung ihrer Aufgaben Gebrauch machen.
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§ 9
Verfahren

( 1 ) Anfragen an die Ansprech- und Meldestelle sind keine therapeutische, rechtliche oder seelsorgerliche Beratung und fallen insoweit nicht unter das Seelsorgegeheimnis. Anfragende sind darauf hinzuweisen.
( 2 ) Mitarbeitende der Ansprech- und Meldebestelle sind verpflichtet, im Fall der Befangenheit die Beratung suchende oder meldende Person darauf hinzuweisen und sie an eine Stellvertretung oder eine unabhängige Fachberatungsstelle zu verweisen.
( 3 ) Sind Mitarbeitende selbst von sexualisierter Gewalt betroffen, sind sie von der Pflicht zur Meldung befreit.
( 4 ) Alle, auch anonymisierte Beratungsanfragen und Meldungen sind in standardisierter Form zu dokumentieren (Meldebogen der EKD in der jeweils gültigen Fassung).
( 5 ) Die Dokumentation ist an den zuständigen kirchlichen Träger oder an die zuständige dienstaufsichtsführende Stelle weiterzuleiten.
( 6 ) Ist ein Verdacht auf sexualisierte Gewalt oder unangemessenes Verhalten entkräftet, sind geeignete Rehabilitationsmaßnahmen (Nachsorge- und Aufarbeitungsmaßnahmen) zu prüfen.
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§ 10
Dienstaufsicht

Die Leitung untersteht der Dienstaufsicht des Prälaten oder der Prälatin. Die Ausübung der Dienstaufsicht darf die Unabhängigkeit der Fachstelle zum Schutz vor sexualisierter Gewalt nicht beeinträchtigen.
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§ 11
Beteiligung, Unterrichtung

Die Fachstelle ist rechtzeitig vor dem Erlass von Regelungen, die sich auf den Schutz vor sexualisierter Gewalt auswirken können, zu beteiligen. Der Fachstelle sind alle Vorschriften, Regelungen, Rundschreiben und Beschlüsse von grundsätzlicher Bedeutung, die das Thema Schutz vor und Umgang mit sexualisierter Gewalt betreffen, zur Kenntnis zu geben.
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Abschnitt III – Krisenstab sexualisierte Gewalt

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§ 12
Krisenstab sexualisierte Gewalt

( 1 ) Für Interventionsfälle bei Verdacht auf sexualisierte Gewalt richtet das Landeskirchenamt einen Krisenstab sexualisierte Gewalt ein. Er bewertet die vorliegenden Informationen anhand der Prüfkriterien in der jeweils aktuellen Fassung des Interventionsplans der Landeskirche. Ihm sind weitere nötige Auskünfte zu erteilen. Er berät insbesondere zu personalrechtlichen Maßnahmen gegenüber Beschuldigten, vergewissert sich, dass Betroffene angemessenen Schutz und Unterstützung erhalten und bereitet die Öffentlichkeitsarbeit vor. Die Sitzungen des Krisenstabs sind zu dokumentieren.
( 2 ) Dem Krisenstab gehören an:
  1. die Leitung der Fachstelle zum Schutz vor sexualisierter Gewalt,
  2. eine persönliche Referentin oder ein persönlicher Referent der Bischöfin oder des Bischofs,
  3. ein Volljurist oder eine Volljuristin,
  4. die Sprecherin oder der Sprecher der Landeskirche.
Bei Bedarf können weitere Personen in den Krisenstab eingebunden werden.
( 3 ) Der Krisenstab wird bei Bedarf durch die Leitung der Fachstelle einberufen.
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Abschnitt IV – Multiplikatorinnen und Multiplikatoren

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§ 13
Aufgabe und Funktion von Multiplikatoren und Multiplikatorinnen

( 1 ) Mitarbeitende können nach Rücksprache mit dem oder der Dienstvorgesetzten eine Fortbildung zum Multiplikator oder zur Multiplikatorin besuchen. Wer eine solche Ausbildung erfolgreich absolviert hat, darf im Rahmen des landeskirchlichen Rahmenschutzkonzepts selbstständig Präventionsschulungen durchführen. Diese Tätigkeit setzt in der Regel eine (sozial)pädagogische oder theologische Qualifikation voraus.
( 2 ) Multiplikatorinnen oder Multiplikatoren können die Funktion von Vertrauenspersonen auf Kirchenkreisebene übernehmen. In diesem Fall arbeiten sie eng mit der Leitung der Fachstelle und dem landeskirchlichen Krisenstab sexualisierte Gewalt zusammen.
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Abschnitt V – Beirat

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§ 14
Beirat

( 1 ) Das Landeskirchenamt richtet zur Begleitung der Arbeit zum Schutz vor sexualisierter Gewalt einen Beirat ein.
( 2 ) Der Beirat hat folgende Aufgaben:
  1. Entgegennahme von Berichten der mit der Koordinierung für das Thema sexualisierte Gewalt beauftragten Personen.
  2. Impulse und Anregungen für die Arbeit im Themenfeld sexualisierter Gewalt zu geben.
  3. Regelungen und Material im Themenfeld sexualisierte Gewalt vorzubereiten.
( 3 ) Dem Beirat gehören mindestens vier, höchstens sechs Mitglieder an, darunter
  1. eine Pröpstin oder ein Propst,
  2. eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter aus der Stabsstelle Kommunikation,
  3. ein rechtskundiges Mitglied und
  4. ein Mitglied mit Fachkompetenz im Bereich Prävention und Beratung in Fällen sexualisierter Gewalt.
Es soll mindestens ein Mitglied berufen werden, das nicht beruflich im kirchlichen Dienst steht oder Mitglied eines Leitungsorgans der Landeskirche ist.
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Abschnitt VI – Verhaltenskodex

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§ 15
Verhaltenskodex

( 1 ) Alle Mitarbeitenden der Landeskirche sind an den anliegenden Verhaltenskodex (Anlage 2) gebunden. Ehrenamtliche verpflichten sich hierzu im Rahmen einer Selbstverpflichtung (Anlage 3).
( 2 ) Der Verhaltenskodex ist den Mitarbeitenden zu erläutern.
( 3 ) Ergänzend können arbeitsfeldspezifische fachliche Standards (Fachstandards) entwickelt werden.
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§ 16
Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Kirchlichen Amtsblatt in Kraft.
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Anlage 1:
Gefährdungspotenzial nach Art, Intensität und Dauer
Niedrig
Hoch
Art
Kein Missbrauch eines besonderen Vertrauensverhältnisses möglich
Missbrauch eines besonderen Vertrauensverhältnisses möglich
Kein Hierarchie-/Machtverhältnis
Bestehen eines Hierarchie-/Machtverhältnisses
Merkmal der Schutzbefohlenen [Minderjährige bzw. Volljährige in Abhängigkeitsverhältnissen], zu denen Kontakt besteht:
keine Behinderung, kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis, Verletzlichkeit
Merkmal der Schutzbefohlenen [Minderjährige bzw. Volljährige in Abhängigkeitsverhältnissen], zu denen Kontakt besteht:
Behinderung, besonderes Abhängigkeitsverhältnis, Verletzlichkeit
Merkmal bei Kindern und Jugendlichen, zu denen Kontakt besteht:
höheres Alter, keine Altersdifferenz
Merkmal bei Kindern und Jugendlichen, zu denen Kontakt besteht:
junges Alter, signifikante Altersdifferenz
Intensität
Tätigkeit wird gemeinsam mit anderen wahrgenommen
Tätigkeit wird allein oder eigenverantwortlich wahrgenommen
Sozial offener Kontext hinsichtlich
  • Räumlichkeit (einsehbar) oder
  • struktureller Zusammensetzung oder Stabilität der Gruppe
Sozial geschlossener Kontext hinsichtlich
  • Räumlichkeit (nicht einsehbar) oder
  • struktureller Zusammensetzung oder Stabilität der Gruppe
Tätigkeit mit Gruppen
Tätigkeit mit Einzelnen
Geringer Grad an Intimität
Hoher Grad an Intimität
Kein Wirken in der Privatsphäre der Schutzbefohlenen (z. B. Körperkontakt) [Minderjährige bzw. Volljährige in Abhängigkeitsverhältnissen]
Oder: Berührung der persönlichen Sphäre des Kindes, Jugendlichen bzw. Volljährigen in Abhängigkeitsverhältnissen (z. B. sensible Themen, Körperkontakte)
Wirken in der Privatsphäre der Schutzbefohlenen (z. B. Körperkontakt) [Minderjährige bzw. Volljährige in Abhängigkeitsverhältnissen]
Oder: Berührung der persönlichen Sphäre des Kindes, Jugendlichen bzw. Volljährigen in Abhängigkeitsverhältnissen (z. B. sensible Themen, Körperkontakte)
Dauer
Einmalig/punktuell/gelegentlich
Von gewisser Dauer/Regelmäßigkeit/umfassende Zeitspanne
Regelmäßig wechselnde [Minderjährige bzw. Volljährige in Abhängigkeitsverhältnissen]
Dieselben [Minderjährige bzw. Volljährige in Abhängigkeitsverhältnissen] für gewisse Dauer
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Anlage 2:
Verhaltenskodex: Leitgedanken
Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck hat sich klar zum Schutz vor sexualisierter Gewalt positioniert1# und alle Mitarbeitenden zur Einhaltung des Abstinenz- und Abstandsgebots (§ 4) sowie einer „Kultur des Respekts und des grenzachtenden Verhaltens“ (§ 1 Absatz 2) verpflichtet. Auch wenn es arbeitsfeldspezifische Fachstandards gibt, empfiehlt es sich, sich mit und für alle Mitarbeitenden arbeitsfeldübergreifend auf einen gemeinsamen Verhaltenskodex zu verständigen.
Als kirchlicher Träger von Angeboten wollen wir, dass Kinder, Jugendliche, Schutzbefohlene aller Altersstufen2# sowie Erwachsene in unseren Einrichtungen und Veranstaltungen dem Evangelium von Jesus Christus begegnen und dadurch die Menschenfreundlichkeit Gottes kennenlernen. Sie werden ernst genommen und beteiligt, ihre Selbstbestimmung und ihre Grenzen respektiert. Sie werden darin gestärkt, auch in schwierigen Situationen selbstbewusst zu handeln. Sie haben in unseren Einrichtungen und Angeboten das Recht, sich sicher zu fühlen und zu sein und können darauf vertrauen, dass alle Verantwortlichen ihre Grenzen achten und für sie sorgen. Verantwortliche haben die Pflicht, sie vor jeder Form körperlicher, emotionaler, psychischer und geistig-geistlicher Gewaltanwendung zu schützen (Schutzauftrag § 1 und 3). Alle Bereiche der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck sollen für die, die unsere Angebote wahrnehmen, sichere Orte und ein geschützter Lebensraum sein. Als Kirche wollen und müssen wir dafür einstehen, dass diese Bedingungen und Grundsätze uneingeschränkt auch für alle unsere Mitarbeiter:innen3# gelten. Uns erwächst aus der Verantwortung die Verpflichtung, konkrete Strukturen und Hilfen zu schaffen und zur Verfügung zu stellen.
Diese Haltung findet ihren Ausdruck in dem folgenden Verhaltenskodex:
  1. Meine Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen („Minderjährige und Volljährige in Abhängigkeitsverhältnissen“) sowie die Zusammenarbeit, der Umgang und das Miteinander mit den Kolleg:innen und Mitarbeiter:innen ist geprägt von Respekt, Wertschätzung und Vertrauen. Ich achte ihre Rechte und ihre Würde. Ich stärke sie, für ihr Recht auf seelische und körperliche Unversehrtheit wirksam einzutreten.
  2. Ich gehe verantwortungsbewusst und achtsam mit Nähe und Distanz um. Ich respektiere die persönlichen Grenzen und die Intimsphäre meines Gegenübers. Das gilt insbesondere für alle Situationen unter vier Augen.
  3. Mir ist meine besondere Vertrauens- und Autoritätsstellung gegenüber Minderjährigen und Volljährigen in Abhängigkeitsverhältnissen, aber auch durch das Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis faktisch entstehende Abhängigkeitsverhältnis bewusst. Ich handele nachvollziehbar und ehrlich. Beziehungen gestalte ich transparent und nutze keine Abhängigkeiten aus.
  4. Ich toleriere weder diskriminierendes, gewalttätiges noch grenzüberschreitendes sexualisiertes Verhalten in Wort, Bild (Medien) oder Tat. Ich will versuchen, dagegen aktiv Stellung zu beziehen. Nehme ich Grenzverletzungen wahr oder werde über solche ins Vertrauen gezogen, will ich mich dafür einsetzen, dass die notwendigen und angemessenen Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung der Betroffenen eingeleitet werden können. Ich nehme Menschen ernst, wenn sie sich mir oder anderen mitteilen wollen. Ich weiß, dass ich mich jederzeit beraten und unterstützen lassen kann.
  5. Ich achte die fachlichen Standards für den Umgang mit Nähe und Distanz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt in meinem Arbeitsfeld.
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Anlage 3:
Selbstverpflichtungserklärung für ehrenamtlich Tätige im Bereich der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck
(Zitat Anlage 2)
Ich habe mich mit dem Verhaltenskodex für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck auseinandergesetzt und werde mich daran halten. Bei Hinweisen auf schwerwiegende Probleme und dem Verdacht, dass das Wohl des Kindes bzw. der Jugendlichen, eines Erwachsenen oder eines sonst Schutzbedürftigen gefährdet ist, informiere ich die verantwortliche Leitung der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (z. B. den oder die Hauptberuflichen oder die Teamleitung) oder eine anderweitige Vertrauensperson. Als ehrenamtlich Mitarbeitende:r wurde ich über die Verfahrenswege und die Ansprechpartner für die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck informiert und weiß, wo ich bei Bedarf kirchenintern (bei Bedarf auch anonym) oder extern Beratung und Unterstützung erhalte.
Die Unterrichtung erfolgte am: ________________________
durch Frau/Herrn ___________________________________
Folgende weitere Unterlagen wurden mir zur Verfügung gestellt:4#
a) _______________________________________________
b) _______________________________________________
Ich versichere, dass ich keine der in § 72a SGB VIII5# bezeichnete Straftat begangen habe. Weiter versichere ich, dass ich nicht wegen einer solchen Straftat rechtskräftig verurteilt worden bin, noch dass derzeit ein gerichtliches Verfahren oder ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wegen einer solchen Straftat gegen mich anhängig ist. Sollte so ein Verfahren anhängig werden, bin ich verpflichtet, die Leitung der Einrichtung hiervon zu unterrichten.
Name, Vorname: ___________________________________
Geburtsdatum: _____________________________________
Wohnort, Straße, Hausnummer: _______________________________________________________
_________________________________________________________________________________
Ort, Datum
Unterschrift
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1 ↑ Gesetzesvertretende Verordnung zum Schutz vor sexualisierter Gewalt (vom 26. Februar 2021, bestätigt durch die Landessynode am 8. Juli 2021) – die genannten §§ beziehen sich auf diese kirchengesetzliche Regelung.
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2 ↑ Die Gesetzesvertretende Verordnung benennt diese Zielgruppe als „Minderjährige und Volljährige in Abhängigkeitsverhältnissen“; d. h., sie geht davon aus, dass es in unserer Kirche eine Reihe von Machtasymmetrien, Vertrauens-, Autoritäts- und Abhängigkeitsverhältnissen gibt, die missbraucht werden können. Das Schutzgebot gilt zwar für alle Mitarbeitenden, für alle, die unsere Veranstaltungen besuchen oder sich uns anvertrauen bzw. anvertraut werden, für die genannten erfordert dessen Umsetzung allerdings besondere Sorgfalt.
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3 ↑ Soweit von Mitarbeiter:innen die Rede ist, sind dies solche i. S. v. § 1 Absatz 3 der Gesetzesvertretenden Verordnung zum Schutz vor sexualisierter Gewalt und § 1 der Verordnung zur Ausführung der Gesetzesvertretenden Verordnung zum Schutz vor sexualisierter Gewalt. Für Mitarbeitende im Sinne des MVG ist festgehalten, dass die Informationspflicht Verantwortung der jeweiligen Dienststellenleitung ist.
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4 ↑ z. B. arbeitsfeldbezogene Fachstandards, Rahmenschutzkonzept der Einrichtung.
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5 ↑ Diese Straftatbestände werden immer wieder angepasst und an dieser Stelle in SGB VIII aktualisiert notiert.