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Kirchengesetz über die Rechtsstellung und Ausbildung der Vikare

vom 17. Mai 1971

KABl. S. 63

Änderungen

Lfd. Nr.
Änderndes Recht
Datum
Fundstelle
1
Kirchengesetz zur Einführung des Pfarrdienstgesetzes der EKD
24. November 2011
2
Kirchengesetzes zur Einführung des Besoldungs- und Versorgungsgesetzes der EKD
22. November 2016
3
Art. 3 Kirchengesetz zur Umsetzung der Namensänderung des Predigerseminars
(39. Kirchengesetz zur Änderung der Grundordnung)
25. April 2017
4
Verordnung zur Änderung des Kirchengesetzes
17. August 2018
5
Gesetzesvertretende Verordnung zur Änderung des Kirchengesetzes1#
16. Juni 2023
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§ 1

( 1 ) Die Ausbildung der Vikare dient dem Erwerb und der Vertiefung der für den Pfarrdienst erforderlichen praktisch-theologischen Kenntnisse und Fähigkeiten. Der Vikar soll in dieser Zeit seine Eignung zur Ausübung einer pfarramtlichen Tätigkeit erweisen.
( 2 ) Die Kirche gewährt dabei dem Vikar Förderung und Hilfe, Schutz bei der Erfüllung seines Dienstes und Fürsorge für ihn und seine Familie.
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§ 2

( 1 ) In den Ausbildungsdienst kann aufgenommen werden, wer
  1. Mitglied der Landeskirche ist oder im Zeitpunkt der Anstellung wird,
  2. geistig gesund und frei von solchen Gebrechen ist, die ihn an der Ausübung einer pfarramtlichen Tätigkeit wesentlich hindern,
  3. die Erste Theologische Prüfung beim Prüfungsamt der Landeskirche abgelegt hat.
( 2 ) Der Bischof kann von der Voraussetzung Buchstabe a) befreien, sofern der Kandidat Mitglied einer Gliedkirche der Evangelischen Kirche in Deutschland oder in Ausnahmefällen einer anderen evangelischen Kirche ist.
( 3 ) Ein Kandidat, der die Voraussetzungen von Absatz 1 Buchstabe b) nicht erfüllt, kann ausnahmsweise dennoch in den Ausbildungsdienst aufgenommen werden, wenn er die Zweite Theologische Prüfung zu einer an deren Berufsausbildung benötigt. In diesem Fall gilt die Bestimmung des § 4 Absatz 5.
( 4 ) Der Bischof anerkennt – anstelle der Voraussetzung des Absatzes 1 Buchstabe c) – eine vor einer anderen deutschen Prüfungsbehörde abgelegte Prüfung, wenn die Prüfung der landeskirchlichen Prüfung gleichwertig ist. Ebenso kann er eine vor einer nicht deutschsprachigen Prüfungsbehörde abgelegte Prüfung anerkennen. Ist die abgelegte Prüfung nicht gleichwertig, kann er bestimmen, dass einzelne Abschnitte der Ersten Theologischen Prüfung bei dem Prüfungsamt der Landeskirche nachgeholt werden.
( 5 ) Gleichwertige Ausbildung im Sinne von Absatz 4 Satz 1 ist der erfolgreiche Abschluss des berufsbegleitenden Masterstudiengangs Evangelische Theologie der Philipps-Universität Marburg. Absolventen dieses Studiengangs können in den Ausbildungsdienst aufgenommen werden, wenn sie die Voraussetzungen des Absatzes 1 Buchstaben a) und b) erfüllen, mindestens fünf Jahre berufstätig gewesen sind, bei Beginn des Ausbildungsdienstes das 48. Lebensjahr noch nicht vollendet und kirchliches Engagement gezeigt haben. Über Anträge auf Zulassung zum Ausbildungsdienst nach Satz 2 wird nach einem Kolloquium entschieden; dabei können Ausnahmen von den in Satz 2 aufgeführten Voraussetzungen zugelassen werden. Das Zulassungskolloquium führt der Bischof unter Beteiligung des Direktors des Evangelischen Studienseminars. Er kann den Prälaten mit seiner ständigen Vertretung beauftragen und weitere Personen zur Teilnahme am Kolloquium hinzuziehen.
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§ 3

( 1 ) Über den Antrag eines Kandidaten auf Aufnahme in den Ausbildungsdienst der Landeskirche entscheidet der Bischof. Vor der Aufnahme hat sich der Kandidat dem Bischof vorzustellen.
( 2 ) Der Bischof entscheidet jährlich über die Anzahl der Kandidaten, die in den Ausbildungsdienst aufgenommen werden. Reicht für die Anzahl der Kandidaten, die in den Ausbildungsdienst der Landeskirche aufgenommen werden sollen, die Anzahl der Ausbildungsplätze nicht aus, so entscheidet der Bischof über die Aufnahme der Kandidaten nach Grundsätzen, die er im Kirchlichen Amtsblatt veröffentlicht.
( 3 ) Ein Rechtsanspruch auf Aufnahme besteht nicht. Gegen die Ablehnung eines Antrags auf Aufnahme und gegen die Zurückstellung der Entscheidung über die Aufnahme gemäß Absatz 2 ist die Beschwerde bei dem Rat der Landeskirche zulässig. Dieser entscheidet endgültig.
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§ 4

( 1 ) Durch die Aufnahme in den Ausbildungsdienst tritt der Kandidat in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zur Landeskirche. Es ist ein Dienstverhältnis auf Widerruf.
( 2 ) Der Kandidat wird durch Aushändigung einer Urkunde in den Ausbildungsdienst als Vikar aufgenommen. Die Urkunde muss die Worte “unter Berufung in das Dienstverhältnis auf Widerruf” enthalten.
( 3 ) Über die Aushändigung der Urkunde ist eine Niederschrift anzufertigen, in der sich der Kandidat zur gewissenhaften und treuen Erfüllung seines Dienstes als Vikar sowie zur Dienstverschwiegenheit verpflichtet.
( 4 ) Die Vorschriften der §§ 32 bis 36 des Pfarrergesetzes2# über die Nichtigkeit und die Zurücknahme einer Berufung gelten entsprechend.
( 5 ) In besonders begründeten Fällen kann mit dem Kandidaten ein privatrechtliches Angestelltenverhältnis vereinbart werden.
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§ 5

( 1 ) Der Ausbildungsdienst dauert in der Regel zwei Jahre und zwei Monate. Er soll ohne Unterbrechung zu Ende geführt werden.
( 2 ) Der Bischof wird ermächtigt, die Ausbildungszeit zwischen der Ersten und Zweiten Theologischen Prüfung generell bis zur Mindestdauer von eineinhalb Jahren zu verkürzen.
( 3 ) Die Pfarrer, deren Ausbildungszeit zwischen der Ersten und Zweiten Theologischen Prüfung weniger als zwei Jahre betragen hat, sind verpflichtet, innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren einmal im Jahr an einem Pastoralkolleg teilzunehmen.
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§ 6

( 1 ) Wenn der Vikar vor seiner Aufnahme in den Ausbildungsdienst andere Tätigkeiten nachweist, die seiner Ausbildung förderlich gewesen sind, kann das Landeskirchenamt eine solche Tätigkeit bis zu einem halben Jahr auf den Ausbildungsdienst anrechnen.
( 2 ) Während des Ausbildungsdienstes kann der Bischof in Ausnahmefällen einen Vikar für eine der Ausbildung förderliche Tätigkeit bis zu einem halben Jahr unter Anrechnung auf die Ausbildungszeit beurlauben.
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§ 7

( 1 ) Die Ausbildungszeit wird in Abschnitte eingeteilt.
( 2 ) Ist das Ausbildungsziel bei einem Abschnitt, der nicht zur Zweiten Theologischen Prüfung benotet wird, nicht erreicht, so kann die Ausbildung in diesem Abschnitt notfalls um die volle Dauer des Abschnitts verlängert werden.
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§ 8

( 1 ) Die Meldung zur Zweiten Theologischen Prüfung darf nicht später als 4 Jahre nach Ablegung der Ersten Prüfung erfolgen.
( 2 ) Das Landeskirchenamt kann von der Bestimmung des Absatzes 1 befreien.
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§ 9

Die für den jeweiligen Ausbildungsabschnitt zuständigen Ausbildungsleiter haben gegenüber dem Vikar Weisungsrecht, unbeschadet der Dienstaufsicht durch den Bischof und den Dekan bzw. den Direktor des Evangelischen Studienseminars.
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§ 10

( 1 ) Der Vikar ist im Auftrage und unter der Verantwortung des Ausbildungsleiters zur öffentlichen Wortverkündigung, zur Sakramentsverwaltung und zur Vornahme von Amtshandlungen befugt.
( 2 ) Bei Gottesdiensten und Amtshandlungen trägt der Vikar die Amtstracht eines Pfarrers.
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§ 11

Der Vikar ist bei der Ausübung seines Dienstes an die Ordnung der Gemeinde gebunden.
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§ 12

Der Vikar hat seine Wohnung den Erfordernissen des Dienstes entsprechend zu wählen.
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§ 13

Beabsichtigt der Vikar zu heiraten, so hat er dies alsbald dem Bischof mitzuteilen.
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§ 14

( 1 ) Der Vikar erhält Anwärterbezüge nach den für Beamte des Bundes auf Widerruf im Vorbereitungsdienst für den höheren Dienst geltenden Bestimmungen. Vikare, mit denen ein privatrechtliches Beschäftigungsverhältnis nach § 4 Absatz 5 vereinbart worden ist, erhalten zu den Anwärterbezügen eine Zulage in Höhe von 750 Euro monatlich. Die Zulage nimmt an den künftigen Besoldungserhöhungen teil.
( 2 ) Die Gewährung von Reise- und Umzugskostenvergütungen sowie Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen an den Vikar richtet sich nach den geltenden Bestimmungen3#. Erleidet ein Vikar einen Dienstunfall, so gilt die entsprechende Regelung des Pfarrerdienstrechts.
( 3 ) Dem Vikar kann auf Antrag ein Zuschuss zu den Kosten der Miete und der Kinderbetreuung gewährt werden. Das Nähere regelt eine Verordnung des Landeskirchenamtes.
( 4 ) Der Vikar erhält Erholungsurlaub entsprechend dem Recht der Pfarrer. Der Urlaub ist unter Berücksichtigung der Erfordernisse der Ausbildung zu erteilen.
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§ 15

( 1 ) Der Vikar muss über Beschwerden und Behauptungen tatsächlicher Art, die für ihn ungünstig sind oder ihm nachteilig werden können, vor Aufnahme in die Personalakten gehört werden. Beurteilungen sind ihm zur Kenntnis zu bringen. Er hat die Möglichkeit, dazu seine schriftliche Äußerung abzugeben.
( 2 ) Der Vikar hat das Recht, seine Personalakten im Landeskirchenamt einzusehen.
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§ 16

( 1 ) Das Ausbildungsverhältnis des Vikars endet mit dem Ablauf des Monats, der auf den Monat folgt, in dem der Vikar die Zweite Theologische Prüfung bestanden hat.
( 2 ) Das Ausbildungsverhältnis des Vikars endet ferner mit dem Ablauf des Monats, in dem ihm nach einer nicht bestandenen Zweiten Theologischen Prüfung die Mitteilung zugestellt worden ist, dass er zu einer Wiederholung der Prüfung nicht zugelassen wird.
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§ 17

Das Ausbildungsverhältnis des Vikars endet vorzeitig durch Entlassung gemäß §§ 18 bis 20.
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§ 18

Der Vikar kann die Entlassung aus dem Dienst beantragen. Dem Antrag ist stattzugeben.
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§ 19

Der Vikar kann entlassen werden
  1. wenn seine praktisch-theologischen Kenntnisse und Fähigkeiten, sein dienstliches oder persönliches Verhalten nicht erwarten lassen, dass er den Dienst eines Pfarrers in einer zufriedenstellenden Weise ausüben kann,
  2. wenn er in seinem Leben nicht auf die besondere Verantwortung Rücksicht nimmt, die ihm als Vikar obliegt,
  3. wenn er im Fall des § 7 Absatz 2 das Ausbildungsziel auch nach Verlängerung nicht erreicht hat,
  4. wenn er sich im Fall des § 8 nicht rechtzeitig zur Zweiten Theologischen Prüfung gemeldet hat.
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§ 20

Der Vikar ist zu entlassen, wenn die Voraussetzungen des § 2 für die Aufnahme in den Ausbildungsdienst nicht mehr vorliegen.
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§ 21

( 1 ) Der Vikar und auf seinen Antrag ein Pfarrer seines Vertrauens sind vor der Entlassung zu hören.
( 2 ) Die Entlassung kann entsprechend den geltenden Bestimmungen angefochten werden.
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§ 22

( 1 ) Mit der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses erlöschen alle damit verbundenen Rechte und Pflichten.
( 2 ) Die Verpflichtung des Vikars zur Dienstverschwiegenheit besteht über die Beendigung des Dienstverhältnisses hinaus.
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§ 23

Dem Landeskirchenamt obliegt es, Richtlinien gemäß Artikel 139 Absatz 1 Buchstabe g) der Grundordnung für die Ausbildung der Vikare zu erlassen4#.
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§ 24

(Inkrafttreten)

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1 ↑ Von der Landessynode bestätigt mit Beschluss vom 27. November 2023 (KABl. S. 297, Nr. 179)
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2 ↑ Nunmehr §§ 21 - 23 PfDG.EKD, abgedruckt unter Nr. 400.
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3 ↑ S. KiBVO, abgedruckt unter Nr. 390; PfrRKV, abgedruckt unter Nr. 392; PfUmzugskost-G, abgedruckt unter Nr. 394.