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Kirchengericht:Landeskirchengericht der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck
Entscheidungsform:Urteil (noch nicht rechtskräftig)
Datum:07.03.2018
Aktenzeichen:LKGer 2017-2
Rechtsgrundlage:Art. 145 Abs. 1 Nr. 1 der Grundordnung der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, §§ 1 Abs. 3, 7 Abs. 1 des Kirchengesetzes über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (Kirchenverwaltungsgerichtsgesetz – KiVwGG), § 105 Abs. 1 des Kirchengesetzes zur Regelung der Dienstverhältnisse der Pfarrerinnen und Pfarrer in der Evangelischen Kirche in Deutschland (Pfarrdienstgesetz der EKD – PfDG.EKD), § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Kirchengesetzes über die Verwaltungsgerichtsbarkeit der Evangelischen Kirche in Deutschland (Verwaltungsgerichtsgesetz der EKD – VwGG.EKD), Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, § 280 Abs. 1 BGB in analoger Anwendung, § 839 BGB/Art. 34 GG in analoger Anwendung
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Amtshaftung, Dienstrecht, Geldentschädigung, Persönlichkeitsrecht, Rechtswegzuständigkeit, kirchenrechtliche Streitigkeit, vermögensrechtliche Streitigkeit
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Leitsatz:

  1. Die Rechtswegzuständigkeit des Landeskirchengerichts der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck ist für vermögensrechtliche Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnis von Geistlichen auch insoweit eröffnet, als Verfahrensgegenstand eine Geldentschädigung wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung ist.
  2. Die Aufnahme eines Abschlussvermerks in die Personalakte eines (früheren) Lehrvikars, in dem dessen Vorwürfe gegen seinen früheren Mentor als Revanche für eine schlechte Beurteilung bewertet werden, stellt keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Lehrvikars dar, die eine Geldentschädigung rechtfertigt.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Tatbestand:

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Der Kläger begehrt eine Geldentschädigung wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts.
Der am xx.xx.xxxx geborene Kläger bestand die Erste Theologische Prüfung am 19.06.2001 mit 11,67 Punkten (gut). Ab 01.09.2006 wurde der Kläger unter Berufung in das Dienstverhältnis auf Widerruf als Vikar in den Ausbildungsdienst der Beklagten aufgenommen. Er wurde Pfarrer C als Lehrvikar zugewiesen. In seinem den Zeitraum vom 01.09.2006 bis 30.04.2008 betreffenden Mentorenbericht vom 20.05.2008, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, führt Pfarrer C aus, er könne eine Übernahme des Klägers in den Gemeindepfarrdienst zum jetzigen Zeitpunkt nicht empfehlen.
Vom 01.08.2008 bis zum 30.04.2009 war der Ausbildungsdienst des Klägers aus gesundheitlichen Gründen unterbrochen. Am 01.05.2009 nahm der Kläger den Ausbildungsdienst wieder auf. In seinem am 05.06.2009 als Prüfungsleistung abgegebenen Erfahrungsbericht übte der Kläger umfangreich Kritik an der Amtsführung des Pfarrers C und erhob gegen diesen den Vorwurf der Gewalt gegenüber Schutzbefohlenen (Kindern) sowie der Versicherungsbetrügereien.
Mit Bescheid vom 14.09.2009 wurde der Ausbildungsdienst des Klägers um ein Jahr verlängert. Der Kläger wurde der Pfarrerin D als Lehrvikar zugewiesen. In ihrem den Zeitraum vom September 2009 bis Mai 2010 betreffenden Mentorenbericht vom 20.05.2010, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, erklärt Pfarrerin D, dass sie dem Kläger zutraue, den Anforderungen eines Pfarramtes gewachsen zu sein, vielleicht am besten in dörflichen Strukturen.
Am 07.09.2010 bestand der Kläger die Zweite Theologische Prüfung mit 7.92 Punkten (befriedigend). Mit Schreiben vom selben Tag beantragte der Kläger die Aufnahme in den Hilfspfarrdienst (heute: Probedienst, vgl. Art. 3 des Kirchengesetzes vom 27.11.2012 [KABl. S. 322]) der Beklagten.
Am 16.09.2010 stellte sich der Kläger dem Beratungsausschuss der Beklagten zur Anstellung von Hilfspfarrern vor, der gegenüber dem Bischof die Empfehlung aussprach, den Kläger nicht in den (Hilfs-)Pfarrdienst zu übernehmen.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 25.10.2010 ab, den Kläger in ihren Hilfspfarrdienst zu übernehmen. Auf den Widerspruch des Klägers, den dieser zum einen darauf stützte, dass der Beratungsausschuss von einer unzutreffenden Note des Klägers in der Zweiten Theologischen Prüfung (7,46 Punkte statt 7,92 Punkte) ausgegangen sei, zum anderen darauf, dass Dekan E, ein Schwager des Pfarrers C, als Mitglied des Beratungsausschusses mitgewirkt habe, hob die Beklagte mit Bescheid vom 01.02.2011 ihren (ablehnenden) Bescheid vom 25.10.2010 auf. Der Kläger wurde dahin beschieden, dass sein Antrag auf Übernahme in den Hilfspfarrdienst als fortbestehend angesehen werde und er zu gegebener Zeit eine Einladung zur (erneuten ersten) Vorstellung vor dem Beratungsausschuss erhalten werde.
Mit am 23.08.2011 zur Post gegebenem Schreiben an den Kläger vom selben Tag informierte die Beklagte den Kläger, dass seine Vorstellung vor dem Beratungsausschuss für den 14.09.2011 vorgesehen sei. Eine Einladung mit dem genauen Zeitplan wurde für Anfang September 2011 in Aussicht gestellt. Mit E-mail vom 13.09.2011 teilte der Kläger der Beklagten mit, er lasse seinen Antrag auf Übernahme in deren Hilfspfarrdienst bis auf Weiteres ruhen. Ferner bat der Kläger um Mitteilung, was er kirchenrechtlich nun zu beachten habe, insbesondere im Falle einer späteren Wiederaufnahme seines Übernahmeantrags. Mit weiterer E-mail vom 30.11.2011 erinnerte der Kläger die Beklagte an die erbetene Auskunft.
Mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 19.09.2011, das der Kläger nachrichtlich an Dekanin F und Pfarrerin G als Studienleiterinnen des Klägers, Predigerseminardirektor H, Dekan I sowie Pröpstin J übermittelte, wiederholte er seinen gegen Pfarrer C erhobenen Vorwurf der Gewalt gegenüber Schutzbefohlenen (Kindern) sowie der Versicherungsbetrügereien. Das Antwortschreiben der Prälatin K vom 19.10.2011 sowie der Abschlussvermerk des Oberlandeskirchenrats L vom selben Tag wurden zur Personalakte des Klägers genommen und nachrichtlich Pfarrer C sowie dem Personenkreis übermittelt, dem der Kläger sein Schreiben vom 19.09.2011 nachrichtlich zur Kenntnis gebracht hatte.
Der Abschlussvermerk hat folgenden Wortlaut:
„Nach Rücksprache mit Dekan I, Predigerseminardirektor H, Kirchenkreisamtsleiter M und Pfarrer C halte ich es nicht für erforderlich, ein Disziplinarverfahren gegen Pfarrer C zu eröffnen. Herr A scheint sich durch „Anschwärzen“ seines ehemaligen Mentors für dessen schlechte Beurteilung und für die Nichtübernahme in den Pfarrdienst revanchieren zu wollen. Nach Auskunft von Dekan I gibt es keine Anhaltspunkte für die Ausübung körperlicher Gewalt gegenüber Schülern durch Pfarrer C. Ebenso wenig hat der Kirchenkreisamtsleiter M Indizien für Versicherungsbetrugsfälle, die Pfarrer C begangen hätte. Bei diesem Sachverhalt ist es meines Erachtens nicht erforderlich, die Schulleitung mit den Vorwürfen des ehemaligen Vikars zu konfrontieren. Hier sollte die Fürsorgepflicht gegenüber unserem Pfarrer überwiegen, zumal die von Herrn A für sein Schreiben angeführte Motivation (Glaubwürdigkeit des Pfarramtes und Schutz der Schüler) kaum glaubhaft ist. Auch die Abfassung der damaligen Examenshausarbeit, die aus einem Erfahrungsbericht über das Vikariat und einem Schwerpunktthema bestehen soll, spricht eher für das Motiv der Vergeltung vermeintlich erlittenen Unrechtes: das Schwerpunktthema ist von Herrn A überhaupt nicht bearbeitet worden; in dem Erfahrungsbericht konzentriert sich Herr A sehr stark auf die Kritik an seinem Mentor.“
Am 28.12.2017 hat der Kläger Klage erhoben.
Der Kläger sieht Verletzungen seines Persönlichkeitsrechts in der Aufnahme des Vermerks in seine Personalakte und der Weiterleitung des Vermerks an Pfarrer C, Dekan I, Predigerseminardirektor H, Pfarrerin G, Dekanin F und Pröpstin J. Die Aufnahme des Vermerks ohne seine Anhörung sowie die Weiterleitung des Vermerks verletzten die Personalaktenordnung der Beklagten. Die Höhe der zu zahlenden Geldentschädigung werde in das billige Ermessen des Landeskirchengerichts gestellt.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Geldentschädigung in angemessener Höhe zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte sieht keinen rechtlichen Grund für eine Geldentschädigung des Klägers. Den Personenkreis, dem der Abschlussvermerk vom 19.10.2011 zur Kenntnis gebracht worden sei, habe der Kläger durch den Empfängerkreis seiner Eingabe vom 19.09.2011 selbst definiert.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die Personalakte des Klägers Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
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Entscheidungsgründe:

Die Klage bleibt ohne Erfolg.
Die Klage ist zulässig. Der kirchliche Verwaltungsrechtsweg ist für das auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts gerichtete Begehren des Klägers nach §§ 1 Abs. 3, 7 Abs. 1 des Kirchengesetzes für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (Kirchenverwaltungsgerichtsgesetz – KiVwGG), § 105 Abs. 1 des Kirchengesetzes zur Regelung der Dienstverhältnisse der Pfarrerinnen und Pfarrer in der Evangelischen Kirche in Deutschland (Pfarrdienstgesetz der EKD – PfDG.EKD), § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Kirchengesetzes über die Verwaltungsgerichtsbarkeit der Evangelischen Kirche in Deutschland (Verwaltungsgerichtsgesetz der EKD – VwGG.EKD) i. V. m. Art. 145 Abs. 1 Nr. 1 der Grundordnung der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck eröffnet. Nach diesen Vorschriften ist die Rechtswegzuständigkeit des Landeskirchengerichts der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck auch für kirchenrechtliche Streitigkeiten aus dem öffentlichen Dienstrecht der Kirche einschließlich des Pfarrdienstverhältnisses eröffnet, bei denen es sich – wie bei der Geldentschädigung wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung – um vermögensrechtliche Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnis von Geistlichen handelt. Eine Streitigkeit aus dem Dienstverhältnis in diesem Sinne liegt dabei auch dann vor, wenn es – wie hier – um einen Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer (Amts-) Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Aufnahme eines Dokuments in die Personalakte eines ehemaligen Vikars und Bewerbers um die Berufung in das Pfarrdienstverhältnis auf Probe sowie der Weiterleitung dieses Dokuments an Dritte geht.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Eine im Recht der Beklagten kodifizierte Anspruchsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer Verletzung seines Persönlichkeitsrechts besteht nicht. Ein Anspruch des Klägers auf Geldentschädigung wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung folgt auch weder analog § 280 Abs. 1 BGB aus einer der Beklagten zurechenbaren Verletzung von (nachwirkenden) Pflichten aus dessen früherem Vikariatsverhältnis oder dessen Bewerberverhältnis noch analog § 839 BGB/Art. 34 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG aus kirchlicher Amtshaftung wegen einer mit einer Persönlichkeitsrechtsverletzung verbundenen (Amts)Pflichtverletzung der Beklagten. Dabei kann das Landeskirchengericht (letztlich) dahinstehen lassen, ob die genannten Anspruchsgrundlagen als für eine jede Rechtsordnung unabdingbare Regelungen Bestandteil auch des Rechts der Beklagten sind (bejahend für ihr jeweiliges Kirchenrecht: Verfassungs- und Verwaltungsgericht der Vereinigten Ev.-Luth. Kirche Deutschlands, Urt. v. 04.05.2001 – RVG 3/2000 – [Amtshaftungsanspruch]; Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen, Urt. v. 28.11.2002 – VK 8/01 – [vertragsähnliche Haftung bei Fürsorgepflichtverletzung]). Denn jedenfalls liegt eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers, die einen Anspruch auf Geldentschädigung begründet, nicht vor.
Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts kann nur dann einen Anspruch auf Geldentschädigung begründen, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in das durch Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG garantierte allgemeine Persönlichkeitsrecht handelt. Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, ist anhand einer verständigen Würdigung der Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen. Zu berücksichtigen sind insbesondere die Art, Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, der Anlass und die Beweggründe des Handelnden, der Grad seines Verschuldens und der auf Seiten des Betroffenen tangierte Persönlichkeitsbereich - Individual-, Privat- oder Intimsphäre - (vgl. statt aller: Münchener Kommentar zum BGB, § 12 Anh. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht [Bearbeitungsstand: 7. Aufl. 2015], Rdnr. 275 ff. m.w.N.).
Eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers liegt hieran gemessen weder in der Aufnahme des Abschlussvermerks des Oberlandeskirchenrats L vom 19.10.2011 in die Personalakte des Klägers noch in der Übermittlung dieses Vermerks an den im Tatbestand bezeichneten Personenkreis. Die bloße Aufnahme des Vermerks in die Personalakte des Klägers stellt – unabhängig von der Frage ihrer kirchenverwaltungsrechtlichen Zulässigkeit – keine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers dar. Gleiches gilt im Ergebnis für die Weiterleitung dieses Vermerks durch die Beklagte an Pfarrer C, Dekan I, Predigerseminardirektor H, Pfarrerin G, Dekanin F und Pröpstin J. Beweggrund der Beklagten, ihren Abschlussvermerk an Pfarrer C sowie die genannten weiteren Personen zu übermitteln, war es, ihre Bewertung der vom Kläger erhobenen Vorwürfe diesem Personenkreis mitzuteilen. Weder die Wortwahl im Abschlussvermerk noch die Auswahl der informierten Personen stellen eine gravierende Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers dar. Die Information des Pfarrers C als Adressat der vom Kläger erhobenen Vorwürfe sowie die Unterrichtung derjenigen Personen, die der Kläger selbst durch sein ihnen nachrichtlich mitgeteiltes Schreiben vom 19.09.2011 in den Vorgang involviert hatte, sind nach keiner Betrachtungsweise ein dem Kläger zugefügtes Unrecht, das die Zuerkennung einer Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung gebietet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 1 Abs. 3 KiVwGG i. V. m. § 60 Abs. 1 VwGG.EKD.