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Partnerschaft in der Weltmission (Grundsätze)

vom September 1979

KABl. 1986 S.147

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1.
Partnerschaft zwischen Kirchen besteht aufgrund der in Jesus Christus bereits gegebenen Gemeinschaft. Sie muss darum sowohl das Geistige als auch das Materielle umfassen. Ihre konkrete Bestimmung muss – in voller Gleichberechtigung – gemeinsam erschlossen und ihr praktischer Vollzug gemeinsam verantwortet werden. Ihr Ziel ist die gegenseitige Hilfe für Zeugnis und Dienst.
2.
Vermittelt durch die Missionszentren
Evangelisches Missionswerk in Südwestdeutschland in Stuttgart, Vereinigte Evangelische Mission in Wuppertal und Ev.-Luth. Missionswerk in Niedersachsen in Hermannsburg steht die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck in partnerschaftlichen Beziehungen zu einer größeren Anzahl von Kirchen in Asien und Afrika.
Unmittelbare partnerschaftliche Beziehungen bestehen zur
Ev.-Luth. Kirche in Südwestafrika – Namibia -, Ev.-Luth. Kirche im südlichen Afrika – Western Diocese – und Kirche von Südindien, Diözese Karnataka-Nord.
Solche unmittelbaren Beziehungen von Kirche zu Kirche gehören zum Selbstwertgefühl der Kirchen in Asien und Afrika. Besonders für die beiden Partnerkirchen im südl. Afrika sind sie eine existenziell notwendige christliche Erfahrung.
Sie werden in Absprache mit den o. a. Missionswerken wahrgenommen.
3.
Partnerschaft ist ein Lernprozess, in dessen Vollzug wir wie die beteiligten Kirchen unsere gegenseitige Abhängigkeit erkennen: Wir brauchen einander, um unsere Berufung zu verwirklichen.
Damit ist der je eigenen Kirche die Frage nach der Lern- und Rezeptionsfähigkeit gestellt, obwohl theologische Einsichten wie Modelle kirchlichen Handelns aufgrund ihrer Kontextualität nicht einfach übertragen werden können.
Darum kann kein Partner dem anderen vorschreiben, wie er sich zu verhalten hat. Das gilt für Einzelprojekte wie für die theol. und gesellschaftspolitische Arbeit. Der Wunsch nach theologischer Identität ist als positiver Beitrag zur Partnerschaft zu verstehen. So wenig ein Partner in die Angelegenheiten des anderen hineinregieren kann, so wenig kann er sich entziehen, wenn ihm bestimmte Entscheidungen des Partners nicht zusagen.
Grundsätzliche Stellungnahmen, die die Situation eines Partners erschweren könnten, setzen gegenseitige Abstimmung voraus.
4.
Partnerschaft ist ein geistlicher, aber auch ein bildungsmäßiger Prozess. Es ist Aufgabe der Kirchenleitungen, ihre Gemeinden auf diese Partnerschaft vorzubereiten, sie anzuleiten, auf die Partnerkirchen zu hören, von ihnen zu lernen, deren Erfahrungen in ihr Leben umzusetzen und sich auch kritischen Anfragen und der möglichen Notwendigkeit, das eigene Leben ändern zu müssen, nicht zu entziehen.
Eine wesentliche Aufgabe kommt in diesem Zusammenhang dem Gemeindedienst für Weltmission im Amt für Mission und Evangelisation zu, der der Aufgabe adäquat auszubauen ist. Letzteres gilt um so mehr, als die Kirche die früher von den Missionswerken wahrgenommene Basisarbeit (Beschluss der Herbstsynode 1973) in ihre Verantwortung übernommen hat.
5.
“Gegenseitige Besuche der Kirchen untereinander müssten als selbstverständlicher Teil ihrer Aufgabe angesehen werden”, um “an der Liturgie, an der Theologie und an der Spiritualität der anderen Kirchen teilzuhaben und einander in der Seelsorge durch Rat und Ermutigung beizustehen” (Nairobi). Dieses wechselseitige Kennenlernen und Teilhaben am Leben der Partner muss nach Meinung unserer Herbst-Synode 1973 auf allen Ebenen erfolgen: Mitglieder der Kirchenleitungen, der Predigerseminare und diakonischen Einrichtungen sollten den Alltag zumindest einer Partnerkirche durch praktische Mitarbeit vor Ort kennenlernen.
Haushaltsmittel, die für die unmittelbaren partnerschaftlichen Beziehungen vorgesehen sind, sollen darum verstärkt für die
Ermöglichung von Besuchsreisen
kurzfristigen Mitarbeiteraustausch in beiden Richtungen und gemeinsame Konsultationen aller Partner
verwandt werden.
Sonstige Projektförderung setzt Benehmen mit der jeweiligen zentralen Kirchenleitung sowie Absprache mit dem mit der Partnerkirche kooperierenden Missionswerk voraus, das der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck seinerseits ebenfalls Projektvorschläge unterbreiten kann. Die Überweisung der Gelder erfolgt unmittelbar. Nicht verwendete Gelder können durch das Landeskirchenamt – gegebenenfalls nach Beratung durch die Kammer für Mission und Ökumene – für andere Diözesen oder Kirchen zur Verfügung gestellt werden.
6.
Langfristiger Einsatz von Mitarbeitern ist ein notwendiger Ausdruck der Partnerschaft: Zeichen der Universalität der Kirche, Bewahrung der Teilkirchen vor provinzieller Selbstgenügsamkeit und ständige Erinnerung der sendenden wie der empfangenden Kirche an ihre missionarische Aufgabe. Der “fraternal worker” wird in gemeinsamer Absprache ausgewählt und dient in seiner Einsatzkirche als Interpret seiner Heimatkirche. Dazu wird er von dieser mit Informationen versorgt. Die empfangende Kirche kann ihn in Beratungs- und Entscheidungsgremien berufen.
Es erscheint notwendig, den Mitarbeiter nicht ausschließlich an eine Pfarrstelle zu binden, sondern ihm entweder eine kombinierte oder eine überregionale Pfarrstelle zu übertragen und ihn in ein missionarisches Team einzubinden. Dadurch wird er vor Überforderung bewahrt, er erfährt Beratung und kann so seine Gaben besser entfalten.
Außerdem kommen auf diese Weise eine größere Anzahl von Gemeinden zu einer Begegnung mit ihm und seinem Zeugnis: Die partnerschaftlichen Beziehungen kommen so mehr der ganzen Kirche zugute.
Der von den Partnerkirchen gewünschte Austausch von Mitarbeitern unter ihnen sollte gefördert werden.
7.
Partnerschaften von Kirchenkreisen zu Kirchenkreisen ermöglichen den Gemeinden die Identifikation mit dem Auftrag der Weltmission, die früher der Missionar vermittelt hat. Heute haben die Verselbstständigung der Partnerkirchen und die Institutionalisierung der Missionswerke den Abstand zwischen den Gemeinden und der überseeischen Missionsarbeit vergrößert. Partnerschaften auf Kirchenkreisebene könnten diese Lücke schließen. Sie vollziehen sich in gegenseitiger Information durch Briefwechsel, Besuche und Gegenbesuche. In einem längeren Wachstumsprozess wird es auch in diesen Partnerschaftsbeziehungen zu einem beiderseitigen Geben und Nehmen kommen.
Solche Partnerschaften auf Kirchenkreisebene sollen im Einvernehmen mit der eigenen Kirchenleitung – bei der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck unter Einschaltung des Amtes für Mission und Evangelisation – der Leitung der jeweiligen Partnerkirche und dem betreffenden Missionswerk vermittelt werden. Projektfinanzierung soll ausschließlich im Rahmen der Absprachen zwischen den Partnerkirchen erfolgen. Partnerschaft vollzieht sich im Mitdenken, Mitbeten, Mithandeln und auch in finanzieller Zusammenarbeit.
“Wirkliche Partnerschaft beinhaltet die Gnade des Empfangens ebenso wie die des Gebens. Innerhalb der Partnerschaft gibt es keinen Grund, warum wirtschaftlich schwache Kirchen zögern sollten, von den wirtschaftlich stärkeren Kirchen Hilfe anzunehmen” (The Indian Church, Identity and Fulfilment 1971, Seite 107), oder sie im Interesse der gemeinsam zu verantwortenden Aufgabe zu erbitten.