.

Richtlinien über die Pflege und Beaufsichtigung von Orgeln

vom 6. November 1974

KABl. S. 331

Das Landeskirchenamt hat gem. Artikel 139 Absatz 1 Buchstabe g der Grundordnung die folgenden Richtlinien erlassen:
#

I. Aufsicht und Benutzung

  1. Die Unterhaltung und Pflege von Orgeln gehört zu den Pflichten des Kirchenvorstandes (Artikel 13 Absatz 4, 37 Absatz 1 Ziffern 2 und 3 der Grundordnung). Der Kirchenvorstand hat insbesondere dafür Sorge zu tragen, dass die Orgel sich in einem spielfähigen Zustand befindet und dass die nachfolgenden Bestimmungen über Behandlung, Pflege, Neubauten und Instandsetzungsmaßnahmen beachtet werden.
    Für die Erhaltung von Orgeln, die unter Denkmalsschutz stehen, werden besondere Richtlinien erlassen.
  2. Im Rahmen der ihm verfassungsmäßig zugewiesenen Aufgaben nimmt das Landeskirchenamt die Aufsicht über die Orgeln in der Landeskirche wahr. Diese Aufsicht wird ausgeübt durch Beratung, Betreuung und durch Ausübung von Genehmigungsrechten. Für die erforderlichen Überprüfungen und Beratungen werden vom Landeskirchenamt Orgelsachverständige eingesetzt.
    Neubauten, Umbauten und Erweiterungsbauten von Orgeln sowie die Ausführung von Instandsetzungsarbeiten – mit Ausnahme der routinemäßigen Stimmung und Reinigung – bedürfen der schriftlichen Genehmigung durch das Landeskirchenamt. Hierbei können Genehmigungen unter Auflagen erteilt werden.
  3. Die Organisten sind anzuhalten, für die Erhaltung und Pflege der ihnen anvertrauten Orgeln zu sorgen.
    Den Organisten steht die Orgel uneingeschränkt und unentgeltlich zur Verfügung.
  4. Anderen als den unter Ziffer 3 genannten Personen kann im Einvernehmen mit dem Organisten vom Kirchenvorstand die Benutzung der Orgel erlaubt werden, wenn sie den Beweis für ihre Vertrautheit mit der technischen Handhabung der Orgel erbringen. Diese Erlaubnis wird im allgemeinen zu erteilen sein
    1. denjenigen, die sich in der kirchenmusikalischen Ausbildung befinden und eine Orgel zu Übungszwecken benötigen,
    2. ausgebildeten Kirchenmusikern, auch wenn sie zur Zeit kein solches Amt versehen.
    Den Kirchenvorständen wird empfohlen, sich die Kosten für Strom-, Licht- und Heizungsverbrauch nur von solchen Personen erstatten zu lassen, die nicht im kirchenmusikalischen Dienst oder in der Ausbildung hierfür stehen.
  5. Gehäuse und Spieltische der Orgeln sind unter Verschluss zu halten, gegebenenfalls auch die Motorenschalter.
  6. Der Kirchenvorstand soll dafür sorgen, dass die Orgel stets zu ihrem wirklichen Wert (Wiederbeschaffungswert) versichert ist.
    Es wird dringend empfohlen, die Orgeln als Zubehör zu Gebäuden bei der Hessischen Brandversicherungsanstalt versichern zu lassen bzw. sich durch Einsicht in die Versicherungsscheine zu vergewissern, dass sie als Zubehör gegen Feuer versichert sind.
    Soweit Orgeln – etwa in Gemeindehäusern – nicht als Zubehör versichert sind, können Anträge auf Versicherung gegen Feuer und Einbruchsdiebstahl über das Landeskirchenamt gestellt werden.
    Zu beachten ist die Notwendigkeit einer Nachversicherung im Falle von erheblichen Wertsteigerungen eines Instruments durch Um- und Erweiterungsbauten.
#

II. Pflege

  1. Der Organist hat kleinere Mängel an der Orgel, soweit er dazu in der Lage ist, abzustellen und etwa festgestellte oder zu befürchtende Schäden unverzüglich dem Kirchenvorstand mitzuteilen: Das Stimmen der Rohrwerke gehört zu seinen Pflichten, sofern er über die erforderlichen Kenntnisse und Werkzeuge verfügt.
  2. Der Kirchenvorstand soll im Einvernehmen mit dem Organisten und dem Orgelsachverständigen einen Stimm- und Pflegevertrag mit einer Orgelbauwerkstatt abschließen. Die Ausführung von Arbeiten durch Unbefugte ist unzulässig.
    Erfüllt der Orgelbauer den Vertrag nicht oder nur unvollkommen, so ist dies dem Orgelsachverständigen schriftlich zu berichten.
  3. Besondere Aufmerksamkeit ist der Beobachtung der raumklimatischen Verhältnisse zu widmen, da erfahrungsgemäß die modernen Heizungsanlagen eine starke Gefährdung der Orgel herbeiführen können. Eine ständige Kontrolle durch Thermometer und Hygrometer an der Orgel ist erforderlich.
    Durch eine elektrische Heizung, durch die Beleuchtung und durch den Motor kann Brandgefahr entstehen. Deshalb sind Kontrollleuchten und andere Sicherheitsvorkehrungen erforderlich, auf die hingewiesen werden muss.
  4. Im Zeitraum von etwa 20 Jahren soll eine Generalreinigung des Instruments durch eine Orgelbauwerkstatt ausgeführt werden. Diese – wie auch alle anderen, über den Rahmen des Stimm- und Pflegevertrags hinausgehenden Arbeiten – müssen von Orgelsachverständigen abgenommen und schriftlich begutachtet werden.
#

III. Reparatur, Neubau, Umbau und Revision

  1. Treten an der Orgel größere Mängel auf oder ergibt sich die Notwendigkeit eines Um- oder Neubaues, so hat sich der Kirchenvorstand mit dem Orgelsachverständigen in Verbindung zu setzen. Dieser erstellt ein Gutachten und berät mit dem Kirchenvorstand über die erforderlichen Maßnahmen, besonders über die Frage, welche Orgelbauwerkstätten aufgefordert werden sollen, einen Kostenanschlag vorzulegen. Üblicherweise sind zwei bis drei Werkstätten zur Abgabe von Kostenangeboten aufzufordern. Bei Neubauten von Kirchengebäuden ist bereits im Planungsstadium Verbindung mit dem Orgelsachverständigen aufzunehmen, um die räumlichen und akustischen Voraussetzungen für die Orgel und die kirchenmusikalische Arbeit zu schaffen.
  2. Vor Instandsetzungsarbeiten in der Kirche, durch welche die Orgel Schaden leiden könnte, ist der Orgelsachverständige zu verständigen.
  3. Die Kostenanschläge müssen vom Orgelsachverständigen begutachtet werden. Der daraufhin vom Kirchenvorstand gefasste Baubeschluss wird dem Landeskirchenamt zur Genehmigung vorgelegt. Von der Auftragserteilung ist dem Orgelsachverständigen Mitteilung zu machen.
  4. Bei Neubauten und Umbauten müssen die Kostenanschläge folgende Angaben enthalten:
    1. die Disposition der Orgel;
    2. gegebenenfalls Wiederverwendung alter Teile;
    3. bei Registern mit überblasenden Pfeifen die Zahl der einfach langen und der überblasenden Pfeifen;
      bei gemischten Stimmen das Schema von Chorzahl und Repetition;
    4. Material der Metallpfeifen (Prozente der Legierungen) und der Holzpfeifen;
    5. ein Wechsel der Bauformen oder des Materials innerhalb eines Registers sowie ein Zusammenführen von Stimmen muss ausdrücklich vermerkt werden;
    6. die Mensur für Weite, Labium und Aufschnitt ist mindestens für C anzugeben. Der Orgelsachverständige kann weitere detaillierte Angaben von der Orgelbauwerkstatt einfordern und die Einhaltung bestimmter Mensuren fordern;
    7. die Schwingungszahl für a und die dabei vorausgesetzte Raumtemperatur;
    8. der geplante Pfeifenwinddruck für alle Teilwerke des Instruments;
    9. Nebenregister (Koppeln, Tremulanten, Zimbelstern und dergleichen Spielhilfen, Tritte, Druckknöpfe, Kombinationen, Walze, Schweller und dergleichen);
    10. Spieltischbeschreibung:
      1. Wiederverwendung alter Teile;
      2. Baumaterial (Holzart);
      3. Umfang der Klaviaturen;
      4. Material der Ober- und Untertasten in den Manualen;
      5. Material und Form der Pedalklaviatur;
      6. für etwa vorgesehene Vakantplätze der Vermerk, ob nur im Spieltisch oder auch auf der Lade vorbereitet;
      7. geplantes Tastengewicht;
      8. Material der Kontakte bei elektrischen Spieltischen.
      Generell sollen die Maße der Spieltische die vom Verband der Orgelbaumeister Deutschlands im Jahre 1972 herausgegebenen Normen beachten.
    11. Ladenbeschreibung:
      1. Wiederverwendung alter Teile;
      2. Ladensystem;
      3. Material der Laden und ihrer Einzelteile (Hölzer, Kunststoffe, Metalle);
      4. Besonderheiten der Konstruktion (z. B. Teleskophülsen);
      5. Vorrichtung zur Erleichterung der Spielart (Balancier, elektrische Koppelung und ähnliches).
    12. Trakturbeschreibung:
      1. Wiederverwendung alter Teile;
      2. Traktursystem;
      3. bei mechanischen Systemen die Art der Übertragung (Wellenbrett, Winkel) und der Lagerung;
      4. bei Schleifladen eine Beschreibung der Bewegungsart (mechanisch, pneumatische Bälge, elektrische Magnete oder Zugmotoren).
    13. Gebläsebeschreibung:
      1. Wiederverwendung alter Teile;
      2. Balgarten (Schwimmbälge, Magazine, Stoßbälge und ähnliches);
      3. Fabrikat und Stärke des Windmotors.
    14. Gehäusezeichnung und Baubeschreibung.
    15. Kaufpreis ohne Mehrwertsteuer, detailliert nach Einzelpositionen. Dabei müssen gegebenenfalls besonders angeführt werden:
      1. Kosten für Gehäuse und Prospekt;
      2. Rückvergütung für etwa von der Orgelbauwerkstatt zu übernehmende Teile der alten Orgel;
      3. Kosten für Transporte und Aufstellung; hierzu gehört auch eine Vereinbarung über die Unterkunfts- und Verpflegungskosten für die Orgelbauer während der Arbeiten am Ort.
    16. Lieferzeit.
  5. Die von den Orgelbauwerkstätten vorgelegten Kostenanschläge sind deren geistiges Eigentum. Es ist daher nicht zulässig, nicht befugten (in Sonderheit Konkurrenzfirmen) unmittelbar oder mittelbar Einblick in die Kostenanschläge zu gewähren oder Mitteilungen darüber zu machen.
  6. Vor Erteilung des Auftrages durch den Kirchenvorstand müssen mit der Orgelbauwerkstatt über die Bestimmung der Ziffer III. 3 hinaus folgende Positionen festgelegt sein:
    1. Stellung der Windladen (nach technischer Zeichnung);
    2. Stellung und Anlage des Spieltisches (nach technischer Zeichnung);
    3. Übereinkunft zwischen dem Orgelsachverständigen und der Orgelbauwerkstatt über die Intonation.
  7. Bei der Erteilung des Auftrags durch den Kirchenvorstand wird ausdrücklich festgestellt, auf welches Angebot er sich bezieht. Alle nachträglich von der einen oder der anderen Seite der Vertragschließenden gewünschten oder für erforderlich gehaltenen Abweichungen bedürfen der schriftlichen Festlegung und der Hinzuziehung des Orgelsachverständigen sowie der Genehmigung des Landeskirchenamtes.
  8. Kostenforderungen der Orgelbauwerkstatt über den vertraglich festgelegten Rahmen hinaus bedürfen der ausführlichen Begründung und der Begutachtung durch den Orgelsachverständigen.
  9. Von der Beendigung der Arbeiten hat der Kirchenvorstand unverzüglich den Orgelsachverständigen zu verständigen und die Abnahme zu veranlassen.
    Der Orgelsachverständige und die Orgelbauwerkstatt vereinbaren im Einvernehmen mit dem Kirchenvorstand den Abnahmetermin.
    Das Abnahmegutachten ist vom Orgelsachverständigen in dreifacher Ausfertigung (Kirchengemeinde, Landeskirchenamt, Orgelbauwerkstatt) unverzüglich zu erstellen. Durch die Abnahme wird festgestellt, dass die Arbeiten an der Orgel im Sinne der “Allgemeinen Lieferungs- und Zahlungsbedingungen des Bundes Deutscher Orgelbaumeister” ordnungsgemäß fertiggestellt sind.
    Hält der Orgelsachverständige wegen bestehender Mängel eine Abnahme derzeit nicht für möglich, so hat er dies dem Kirchenvorstand und der Orgelbaufirma anzuzeigen. Er hat darauf hinzuwirken, dass die Mängel umgehend beseitigt werden.
  10. Rechtzeitig vor Ablauf der Garantiezeit empfiehlt sich eine Überprüfung des Werks durch den Orgelsachverständigen.